Das „Real Time Bidding“ oder „Real Time Advertising“ ist als automatisierter Handel von Online Werbung eines der wichtigsten Themen der Onlinebranche. Während Experten die großen Chancen sehen, gibt es von Seiten der Werbetreibenden auch Verunsicherung hinsichtlich der Qualitätssicherung. Wir haben einen Experten befragt und Siamac Alexander Rahnavard, Managing Director DACH bei GDMdigital, die wichtigsten Fragen rund um das Real Time Bidding (RTB) gestellt.
1. Wie definieren Sie Real Time Bidding?
Das Real Time Bidding ist der echtzeitbasierte Einkauf von Mediainventar, das Display, Video und Mobile Ressourcen umfasst.
2. Welche Vor- und Nachteile sehen Sie im Real Time Bidding im Vergleich zu normalen Display Kampagnen? Was mach Real Time Bidding so erfolgreich?
Durch den Echtzeiteinkauf können die Ad Impressions ersteigert werden, die für eine Kampagne relevant sind. Alles, was für die Kampagne nicht funktioniert, fällt nach kurzer Zeit aus dem Bidding Prozess raus. Inventar, das gut performt bzw. die gewünschte Awareness bringt, wird weiterhin ersteigert. Zusammengefasst ist Real Time Bidding die optimale Ausnutzung von Werbebudget.
Trotzdem muss man sich bewusst sein, dass Real Time Bidding nur ein Teil des Marketing Mixes ist und nicht als alleinige Marketingmaßnahme genutzt werden kann bzw. sollte. Man merkt in der Praxis deutliche Unterschiede zwischen Kampagnen, die nur auf Real Time Bidding basieren und Kampagnen, in denen auch andere Maßnahmen geschaltet sind und bei denen es spürbare Synergieeffekte gibt.
Die Gefahren liegen im Real Time Bidding besonders bei Akteuren mit wenig Erfahrung darin, keinen relevanten Traffic einzukaufen. Eine hohe Anzahl an Ad Impressions bei einem sehr niedrigen Einkaufspreis bedeutet oft Cross Border Traffic, und der ist nicht für jede Kampagne sinnvoll. Wenn man betrachtet, welche Kampagnen in Deutschland am meisten geschaltet werden, dann sind das Kampagnen, die sich an die deutsche Mittelschicht richten, die in den seltensten Fällen auf Cross Border Angeboten surfen. Diese Zielgruppe ist hauptsächlich auf deutschsprachigen Seiten unterwegs, auf Newsseiten, Lifestyleseiten, Informations- oder Musikportale. Dementsprechend muss ich im Real Time Bidding darauf achten, ein für das Produkt relevantes Umfeld zu ersteigern. Sonst wird unnötig Werbebudget verbrannt, ohne die zielgerichtete Durchführung von Kampagnen sichergestellt zu haben.
Ein weiteres Risiko besteht darin, eine der vielen Fake-Seiten zu ersteigern, die viele Impressions und Klicks produzieren oder für einen günstigen Preis viele Klicks erzeugen. Oft sieht man hier erst bei genauerer Betrachtung, dass es gefakte Seiten sind, die so geschickt manipuliert sind, dass sie die meisten Sicherheitstechnologien umgehen und nur durch eine detaillierte menschliche Prüfung erkannt werden können.
Nicht überall macht grundsätzlich Displaywerbung Sinn und nicht überall macht Real Time Bidding Sinn. Manchmal ist es auch sinnvoller, das Budget für andere Maßnahmen zu verwenden, zum Beispiel wenn eine direkte Ansprache der Zielgruppe effektiver ist, die man eher über die direkte Einbuchung bei Vermarktern mit sehr speziellem Content erreicht.
3. Wie bewerten Sie den aktuellen Real Time Bidding Markt? Wer sind die Player im Markt? Wodurch unterscheiden sich die verschiedenen Anbieter?
Betrachtet man die Entwicklung von 2009 bis heute, sind seit spätestens dem vergangenen Jahr fast alle Dienstleister und Agenturen in irgendeiner Weise Real Time Bidding-erfahren, aber wenn man an der Oberfläche kratzt, merkt man recht schnell, dass ein echtes Fachwissen eigentlich kaum vorhanden ist. Es wird relativ aggressiv auf die Werbetreibenden zugegangen, man versucht mit irgendwelchen Technologiebesonderheiten auf sich aufmerksam zu machen, die andere möglicherweise nicht anbieten. Wenn man aber genauer hinhört, bieten alle eigentlich das Gleiche an und unterscheiden sich einfach nur in der Kommunikation, also im Wording voneinander. Hier sind Initiativen vom BVDW aktiv, wie das neu gegründete BVDW Lab Real Time Advertising. Das Ziel ist vor allem, eine einheitliche Sprache zu konzipieren und für mehr Markttransparenz zu sorgen.
Interessant ist auch, dass viele beim Real Time Bidding häufig nur an Performance Marketing oder Restplatzinventar denken, was nicht korrekt ist. Der Kunde steuert den Dienstleister beim Einkauf, indem er vernünftige Gebote einräumt. Wenn man von vornherein mit niedrigen Geboten ansetzen muss, hat man nicht die Möglichkeit, gutes Inventar zu ersteigern und auch nicht das begehrte deutschsprachige Inventar, sondern muss zwangsläufig mit dem günstigen Cross-Border-Traffic Vorlieb nehmen. Gerade bei Kunden, die einen Awareness Anspruch haben, ist es sinnvoll, mit vernünftigen Geboten anzusetzen, um die Möglichkeit zu haben, auf relevantem Inventar auf einer guten Platzierung im sichtbaren Bereich zu laufen. So können Kampagnen mit einem Awareness Anspruch ganz gezielt in den passenden Umfeldern auf ausgewählten Seiten ausgesteuert werden.
Stichwort hier ist das Real Time Advertising, welches als Ergänzung zur Vermarktung von Premiuminventar betrachtet werden kann. Die Entwicklung wird sich künftig mehr in Richtung eines automatisierten Einkaufes von Premiuminventar entwickeln, welcher sich im Schwerpunkt auf sogenannten Private Market Places abspielt. Eine kontrollierter Einkauf von Mediainventar wird ermöglicht.
4. Bringt es aus Ihrer Sicht etwas, Third-Party-Data zu integrieren?
Third Party Data sind nur unzureichend im deutschsprachigen Raum vorhanden. Grund dafür sind in erster Linie herrschende Datenschutzrestriktionen. Das ist auch ein Erfahrungswert von verschiedenen Agentur-Kunden, mit denen wir zusammenarbeiten, die Third Party Data genutzt und festgestellt haben, dass der Hebel, den man sich versprochen hatte, nicht vorhanden war. In der Kosten-Nutzen-Analyse hatte es letztendlich nicht so viel gebracht.
Was jedoch sehr gut funktioniert, ist der Aufbau von First-Party-Data für Kunden im deutschsprachigen Raum und der langfristige Ausbau verschiedener Produktsegmente. Damit hat man die Möglichkeit, für die Kunden etwas Sinnvolles aufzubauen, womit er mittel- bis langfristig seine Kampagnen optimieren kann.
Mit Hilfe von Data Management Platforms, kurz DMPs, welche in Verbindung mit einer DSP angewendet werden, wird den Werbetreibenden ermöglicht, das Real Time Advertising markt- und produktgerecht durchzuführen und somit ein sinnvolles, marktbezogenes Programmatic Buying zu gewährleisten.
5. Wie bewerten Sie das Real Time Bidding in Verbindung mit dem Retargeting?
Grundsätzlich muss man zwei verschiedene Formen von Retargeting unterscheiden. Einmal gibt es ein statisches Retargeting, in dem ich an verschiedenen Positionen einer Website einen Pixel implementiere und User-Segmente aufbaue, zum Beispiel den Besuch einer Website, Besucher, die sich eingeloggt haben, Besucher, die gekauft haben, usw. Dann kann ich entsprechend dieser Markierung die User direkt ansprechen, ohne dass ich einen Unterschied habe zu den normalen Werbemitteln. Das ist, je nach anschließender Aussteuerung, ein sehr dezentes Retargeting.
Und dann gibt es das dynamische Retargeting, wo der Nutzer personalisierte Werbemittel bekommt. Auch hier ist es sehr wichtig, dass man sehr dezent vorgeht. Hier ist nicht Sinn der Sache, sehr aggressiv vorzugehen, wie es bestimmte Anbieter machen. Man sollte das vorsichtig angehen, besonders angesichts der massiven Datenschutzdiskussion in Deutschland, was das Setzen von Cookies betrifft. Der an sich gut gemeinte Ansatz, eine Steigerung des Absatzes zu erzielen, hat zur Folge, dass bei den Leuten das Gefühl entsteht, dass sie in ihrer Privatsphäre massiv gestört werden und dass sie Angst um ihre Daten haben.
Mit der dezenten Nutzung haben wir allerdings positive Erfahrungen gemacht. Ich ersteigere nur den User, den ich für mein Produkt brauche, ich kann sehr gezielt ersteigern und das auch zu einem oft günstigen Preis. Denn nicht jeder User surft auf bekannten Verlagsumfeldern, sondern auch auf Nischenseiten. Gerade bei spezielleren Produkten sind es gerade die Nischenseiten wie spezielle Foren, auf denen es den direkten Kontext zum Thema gibt. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein User einen Newsletter abonniert oder einen Einkauf tätigt, ist hier wesentlich höher, als wenn ich in weniger relevantem Umfeld Inventar ersteigere.
Wir bedanken uns sehr für das interessante und angenehme Gespräch.